Warum der Trialog den Dialog nicht ersetzt

Christian Staffa

Zunächst scheint es schlüssig: Das „Problem Islam“ verursacht im Augenblick große internationale Verwerfungen, die auch in Deutschland ankommen und angegangen werden müssen. Der sich muslimisch gebende Terrorismus, die Islamisierung der deutschen oder in Deutschland lebenden Muslime, die feindliche Haltung der letzten Jahrzehnte den Einwanderern aus muslimischen Ländern gegenüber, die merkwürdigerweise hier romantischer Multikulturalismus genannt wird, die keinen ernsthaften Austausch und kein gegenseitiges Verständnis produziert, schreien mach ernsthaftem interreligiösem Gespräch. Bedeutet das, dass wir das jüdisch-christliche Gespräch um einen muslimischen Gesprächspartner erweitern müssen? Ich denke nein.Ohne Frage brauchen wir das christlich-muslimische Gespräch dort, wo mit den je unterschiedlichen Rollenfragen sensibel umgegangen wird, lässt sich in Deutschland auch ein Trialog denken. Ganz sicher ersetzt er das jüdisch-christliche Gespräch nicht. Wer diese Ergänzung zuungunsten des jüdisch-christlichen Gesprächs fordert, suggeriert, dass dieses sich erledigt hat. Das Gegenteil ist wahr. Geht doch die Fiktion des „Erledigtseins“ von einer falschen theologischen Voraussetzung aus. Juden und Christen sind nicht nur historisch, sondern theologisch aufeinander bezogen. Insbesondere gilt das für die Christen, keinen Satz, den sie aus der Heiligen Schrift lesen können, der nicht jüdische Hintergründe, jüdische Realitäten aufruft. Wir lesen dieselben Schriften in anderer Anordnung, das teilen wir mit keiner anderen Religion. Sicherlich haben „wir drei“ in Abraham einen gemeinsamen Bezugspunkt, aber die so direkte und damit natürlich auch spannungs- und (wenn wahrgenommen einzigartig) lehrreiche Beziehung gibt es nur zwischen Juden und Christen. Das machte dieses bilaterale Gespräch auch noch spezifisch nötig, wenn es seinen anderen Grund verloren hätte, den bleibenden Antijudaismus der Christen in Deutschland.

Sicherlich ist seit der Gründung von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und der AG Juden und Christen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag, der Zeit von nostra aetate und dem Besuch des Papstes in Israel vieles Positives in der Verhältnisbestimmung zwischen Christen und Juden geschehen. Aber sind wir schon soweit, dass die christliche Theologie die jüdische Auslegung des sogenannten Alten und auch des Neuen Testamentes mitdenkt? Spüren die Menschen in den Kirchen, dass mit „ihrem“ Antijudaismus ein tragendes Element der Nazi-Ideologie bereitgestellt war?

Aufgrund der Erfahrungen nicht zuletzt im Nationalsozialismus müssen wir sagen: Das Jüdisch-christliche Gespräch ist dann für den echten Dialog gerüstet, wenn Juden in den Kirchen einen verlässlichen Bündnispartner und Fürsprecher in einer immer mal wieder feindlich gestimmten Umwelt sehen. Und dann gibt es noch aneinander und füreinander noch soviel zu entdecken, was spezifisch in dieser jüdisch-christlichen „Zweierbeziehung“ ist, dass diese Fokussierung auch in ferner Zukunft, vermutlich bis zum Ende der Zeiten, wo wir sehen werden, wer der kommende Messias ist, der Gott alles zu Füßen legen wird, nicht obsolet werden wird.

Wichtig scheint mir, zu sehen, dass wir im Zwiegespräch noch viel vor uns haben. Wenn eine Schrift der EKD „Christlicher Glaube und nichtchristliche Religionen“ völlig ohne Verweis auf die Beziehung zum Judentum auskommt und formulieren kann: „In ihm (Jesus Christus) ist Gott der Menschheit geschichtlich-konkret begegnet“ ohne die konkrete geschichtliche Begegnung Gottes mit dem Volk Israel auch nur zu erwähnen und diese beiden Erscheinungen in Beziehung zueinander zu setzen, dann ist deutlich, wie weit der Weg noch ist. (EKD Texte 77, Hannover 2003, S.8)

Vor diesem Hintergrund kann ich einer Position, die das bilaterale Gespräch ablösen möchte zugunsten des trilateralen nur den Verdacht haben, dass hier der Komplexität und dem Wandel, den das Christentum in dieser Hinsicht spezifisch bezogen auf seine Beziehung zum Judentum noch vor sich hat, ausgewichen werden soll, oder zumindest die Gefahr eines solchen Ausweichen-Wollens unterschätzt wird. Ohne die Erkenntnisse des trilateralen Gesprächs desavouieren zu wollen, ist der Ertrag ein anderer und das spezifische Potential des jüdisch-christlichen Gesprächs gerade in selbstkritischer christlicher Perspektive noch nicht annähernd erschöpft.

Zuerst erschienen in der Jüdischen Allgemeinen Wochenzeitung.