Gehört die Nakba-Ausstellung auf den Kirchentag?

Pro und Contra

Maria Coors

Der Kirchentag hat eine Wanderausstellung über die »Nakba«, die Flucht und Vertreibung der Palästinenser im Jahr 1948, nicht zugelassen. Sollte er seine Entscheidung überdenken?

Der Vorstand der AG begrüßt die Entscheidung des DEKT die sog. Nakba-Ausstellung nicht auf dem Markt der Möglichkeiten zu zeigen.
Maria Coors nahm dazu in der Publik-Forum Stellung.

»Nakba« von 1948: Fehl am am Platz auf dem Kirchentag? (Foto: pa/dpa/Israeli Government Press Office)

Die sogenannte Nakba-Ausstellung ist inhaltlich mangelhaft und bietet keinen Raum für kritische Selbstreflexion. Das trägt dazu bei, dass wichtige Diskussionen im jüdisch-christlichen Dialog gerade nicht stattfinden können. Es ist richtig, dass der Deutsche Evangelische Kirchentag sie nicht erneut zeigt. Die bereits 2008 konzipierte Ausstellung thematisiert die Geschichte der Flucht und Vertreibung arabischer Menschen im Zusammenhang mit der Staatsgründung Israels. Sie stellt dabei wichtige historische Kontexte sehr verkürzt oder überhaupt nicht dar. Dazu gehört die Tatsache, dass Jüdinnen und Juden seit der Antike in diesem Gebiet leben. Dazu gehören die vielseitige Geschichte des Zionismus, die Vertreibung der meisten Jüdinnen und Juden aus Ländern der arabischen Welt sowie die von arabischer Seite ausgehenden Kriegshandlungen vor und nach dem UN-Teilungsbeschluss von 1947. Sehr verkürzt dargestellt ist auch der Kontext der Shoah. Der Genozid machte die Idee eines jüdischen Staates als sichere Zuflucht zu einer Notwendigkeit für viele Überlebende und bis heute zu einer Versicherung für jüdische Menschen weltweit. Die Darstellungen der Ausstellung bleiben hier unterkomplex.

Die Besucherinnen und Besucher eines Kirchentages wollen sich mit sich selbst und der Welt kritisch und kontrovers auseinandersetzen. Diese Reflexion aber fehlt der Ausstellung: Aus welcher Perspektive schauen wir auf die Ereignisse in Israel/Palästina 1948 und heute? Was ist unsere Rolle? Die selbstkritische Auseinandersetzung mit der Shoah gehört zu den Kernthemen der Kirchentagsbewegung. Nur auf dieser Grundlage konnte ein erneuerter jüdisch-christlicher Dialog wachsen.

Die Auseinandersetzungen um die Ausstellung haben gezeigt, dass sie keine neuen Gesprächsräume erschließt. Sie gefährdet das Vertrauen unserer jüdischen Partnerinnen und Partner – in einer Zeit, in der offener Antisemitismus deutlich zunimmt. Die demokratischen Grundstrukturen des jüdischen Staates sind aktuell beispiellos gefährdet. Dies stellt eine enorme Gefahr für das Leben vieler Menschen in Israel/Palästina und für die Lebensversicherung von Jüdinnen und Juden weltweit dar. Eine Ausstellung, die durch Verkürzung und Auslassung wichtiger Tatsachen den Antisemitismus nährt, ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich.

Ich bin froh, dass der Deutsche Evangelische Kirchentag sich dieser Themen auf der Grundlage des vertrauensvollen christlich-jüdischen Dialogs annimmt. Das lässt keinen Platz für eine fehlerhafte und demagogische Ausstellung.